Beginnen wir mit einem Problem: Es gibt keine sicheren diagnostischen Merkmale der Rosidae. Um es vielleicht noch etwas drastischer auszudrücken: Ihnen werden vielfach Familien und Ordnungen nur deshalb zugewiesen, weil sie in keine der anderen Unterklassen passen.
Die Rosidae zeichnen sich durch keinerlei ökologische Präferenzen aus. Vielmehr sind die verschiedensten Strategien erkennbar, die es ihnen erlauben, die unterschiedlichsten Biotope zu besiedeln. Es gibt aber keine Art, die an irgendeiner Stelle dominierend wäre und dadurch andere zurückdrängen würde. Unter den Dilleniidae ist uns mit den Ericales und den Cistaceae eine solche Erscheinung begegnet. Meist wird angenommen, daß die Rosidae von den Magnoliidae abzuleiten sind. Gäbe es nur die primitivste ihrer rezenten Ordnungen, die Rosales, würde man sie bedenkenlos den Magnoliidae zuordnen dürfen. Vergleicht man sie hingegen mit den übrigen Ordnungen, fallen Gemeinsamkeiten auf, die nicht wegzudiskutieren sind.
Unter den Magnoliidae gibt es neben Gruppen mit primitiven morphologischen Merkmalen (schraubige Anordnung der Blütenorgane laminare Placentation, mono- oder diaperturater Pollen, einfache ungeteilte Blätter mit nur wenig vernetzter Aderung, einfacher Bau des Holzes u.a.) solche, deren Merkmale als abgeleitet zu betrachten sind. Beispiele dafür haben wir beschrieben. Unter den Rosidae sind außer Apokarpie keine der obengenannten primitiven Merkmale mehr zu finden, deshalb sind sie auch als Gruppe im Vergleich zu den Magnoliidae als evolutionär höherstehend (progressiver) einzustufen.
Es wird vermutet, daß die Vorfahren der Rosales tricolpaten Pollen und gefiederte, später auch anders zusammengesetzte Blätter besaßen. Am ehesten kommt die Gattung Sapindopsis dieser Vorstellung entgegen. Schwer zu beantworten ist die Frage nach der Abgrenzung zu den Dilleniidae. Es gibt nämlich nichts, was ausschließlich für die eine oder die andere Gruppe charakteristisch wäre. Daher sind es auch vorwiegend konzeptionelle Erwägungen, die dafür sprechen, sie getrennt zu behandeln. Vieles weist darauf hin, daß sie auf unterschiedliche Vorfahren zurückzuführen sind, die im Verlauf ihrer Evolution gleiche oder ähnliche Wege gegangen sind (Konvergenz oder Parallelevolution), und sich dadurch mehr oder weniger aneinander angeglichen haben. Lediglich die Häufigkeit bestimmter Merkmale oder Merkmalskombinationen sind bei den beiden Gruppen verschieden. Die Formenvielfalt beruht daher vermutlich zum überwiegenden Teil auf Neukombination genetischer Information , die bereits bei ihren Vorfahren vorhanden war. Die evolutionäre Errungenschaft der Dilleniidae und Rosidae wäre demnach das Ausprobieren neuer Gen- und Genomzusammenstellungen. Unter Verwendung von Begriffen aus der klassischen Genetik müßte man sagen, daß hier Rekombinationen, und nicht Mutationen, die allein zu veränderten Proteinen führen würden, die Evolutionsursache waren. Die vielfältigen äußeren Bedingungen terrestrischen Lebens (Klima, Boden usw.) sorgten dafür, daß nur bestimmte Phänotypen erhalten blieben.
Daß die eben vorgetragenen Argumente keine aus der Luft gegriffenen Spekulationen sind, geht u.a. aus der Tatsache hervor, daß gerade unter den Angiospermen ein hoher Anteil der Arten polyploid und damit hybridogenen Ursprungs ist; daß man zeigen konnte, daß auch durch scheinbar kleine Genomveränderungen gravierende Veränderungen in der Form einzelner Organe oder der ganzen Pflanze hervorrufen können und daß es recht einfach ist, durch Züchtung zahlreiche neue Varianten zu gewinnen.
Nun noch einige Merkmale der Rosidae: Multistaminate Blüten zeichnen sich meist durch eine zentripetale Stamenentwicklung aus, während eine zentrifugale für die Dilleniidae typisch ist. Aber es gibt sowohl unter den Rosidae Arten mit zentrifugaler Anordnung als auch unter den Dilleniidae solche mit zentrifugaler. Alles spricht dafür, daß man diese "scheinbaren" Ausnahmen als Parallelentwicklungen zu deuten hat.
Eine parietale Placentation der Samenanlagen ist selten, kommt bemerkenswerterweise aber bei einigen Saxifragaceen vor. Die Blüten sind meist polypetal, selten apetal, in mehreren Ordnungen sympetal. Der Blütenboden ist oft entweder becherförmig vertieft oder zu einem Diskus erweitert. Die Blätter sind meist gefiedert, einfache Blätter gelten als sekundär entstanden.
Rosidae: Ein phylogenetisches Schema zur Darstellung der Beziehungen zwischen den einzelnen Ordnungen (A. CRONQUIST, 1981).
Die Rosidae umfassen rund 58 000 bis 60 000 Arten in 17 Ordnungen und 112 Familien. Wie wir an anderer Stelle sehen, gibt es Hinweise darauf, daß die gegenüber den Rosidae und Dilleniidae progressivere Subklasse der Asteridae von den Rosidae abgeleitet werden kann. Die Ansichten hierüber sind jedoch nicht unumstritten. Die Asteridae umfassen ca. 60 000 Arten, aber nur 11 Ordnungen und 49 Familien. Die geringere Zahl taxonomischer Einheiten weist auf eine höhere Homogenität dieser Gruppe hin. 75 Prozent aller Rosidae-Arten gehören fünf Ordnungen an:
Fabales (14 000 Arten)
Myrtales (9000 Arten)
Euphorbiales (7600 Arten)
Rosales (6600 Arten)
Sapindales (5400 Arten).
Die restlichen etwa 15 000 Arten verteilen sich auf 12 weitere Ordnungen.
Den Rosales fällt dabei eine Schlüsselstellung zu. Problematisch ist die Stellung der Euphorbiales, weil jene in einer Anzahl von Merkmalen mit den Malvales (Dilleniidae) übereinstimmen. Es darf auch nicht verschwiegen werden, daß viele der Zuordnungsprobleme auf Familien- oder Ordnungsebene liegen. Es gibt zahlreiche Fälle, bei denen ein Autor eine Familie (oder Ordnung) den Dilleniidae, ein anderer dieselbe den Rosidae zuweist. Ein solches Beispiel haben wir bereits bei der Beschreibung der Nepenthales kennengelernt. Wenn man ganz vorsichtig sein wollte, müßte man alle Familien unsicherer taxonomischer Stellung der Ordnung "Incognitales" zuweisen, im Englischen sagt man da "Unknowniales". Eine Begündung aus didaktischer Sicht: Subklassen sind ideale Container, um die Vielfalt an Ordnungen, Familien und Gattungen einigermaßen übersichtlich zu katalogisieren.
Derzeit in Botanik online nicht besprochene Odnungen: Linales, Polygales, Podostemales, ihre Familien und Gattungen
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