Pilze sind keine Pflanzen. Es sind Organismen, die zu einem eigenständigen Organismenreich zusammenzufassen sind, das, ebenso wie das der Pflanzen (Plantae) und das der Tiere (Animalia), aus dem der eukaryotischen, einzelligen Protisten (Protista) hervorgegangen ist. Es gibt zwischen Pflanzen und (fast allen) Pilzgruppen keine homologisierbaren Strukturen, wenn man von jenen absieht, die auf Protistenebene bereits konserviert worden sind:
Existenz von Zellkernen, Komplexierung der DNS mit Histonen. | |
Vorhandensein von Aktin und Tubulin (und damit amöboider Bewegung von Zellen und Geißelbewegung). |
Analogien (Konvergenzen, Parallelentwicklungen) hingegen sind vorhanden und werden fälschlicherweise oft als Argumente für eine Verwandtschaft zwischen Pflanzen und Pilzen herangezogen. Drei der "Gemeinsamkeiten" werden immer wieder vorgetragen:
Zellen der Pflanzen und Pilze sind von einer Zellwand umgeben, tierische Zellen sind zellwandlos. Soweit ist das richtig, doch Zellwände gibt es auch bei Prokaryoten (Bakterien, Blaualgen), andererseits sind die Wände der drei genannten Organismengruppen (Reiche) molekular unterschiedlich (sie enthalten unterschiedliche Molekülklassen), und ihr Biosynthesemodus und die Art des Zellwachstums sind verschieden. Sie sind demnach nicht homologisierbar.
Bei Pflanzen und Pilzen kommt ein Generationswechsel vor, der der Pilze ähnelt dem mancher Rotalgen. Auch das stimmt, aber Generationswechsel findet man auch im Tierreich (z.B. bei Coelentheraten). Außerdem weiß man mittlerweile, daß sich die Erscheinung "Generationswechsel" selbst im Pflanzenreich im Verlauf dessen Evolution mehrfach und unabhängig voneinander entwickelt hat.
Pflanzen und Pilze sind sessil, Tiere (meist) beweglich. Beruft man sich auf ARISTOTELES, müßte man unter dieser Voraussetzung auch die Korallen und Seeanemonen den Pflanzen zurechnen.
Gravierender sind die Unterschiede zwischen den beiden Reichen. Dabei wäre in erster Linie die unterschiedliche Ernährungsweise zu nennen. Pflanzen können Lichtenergie nutzen. Sie sind autotroph, d.h., ihre Existenz und ihr Wachstum sind (in der Regel) von den Aktivitäten anderer Lebewesen unabhängig. Pilze sind stets heterotroph; sie sind auf das Vorhandensein organischen Materials angewiesen. Verwerter von totem organischem Material (abgestorbene Zellen, reduzierte, energiereiche Kohlen- und Stickstoffverbindungen) nennt man Saprophyten, jene, die lebende Zellen angreifen, Parasiten. (Vermerkt sei, daß es Saprophyten und Parasiten auch in anderen Organismenreichen gibt.)
Sporangiophor (Sporangienträger) |
Oomyceten, ein missing link oder eine Klasse, die gar nicht
zu den Pilzen zu rechnen ist? Die Oomyceten besitzen im Gegensatz
zu allen übrigen Pilzen Zellwände aus Cellulose, ihre
Zoosporen sind heterokont begeißelt, und ihr
Thallus ähnelt dem mancher siphonalen Algen (z.B. Vaucheria
). Sind sie mit diesen verwandt? Haben sie ihre Chloroplasten
verloren und sind sekundär zu saprophytischer Lebensweise
übergegangen? Manche Beobachtungen - dazu gehören auch
molekularbiologische Daten (rRNS-Analysen) - mögen diese
Annahme stützen, doch das letzte Wort über ihre systematische
Stellung ist noch nicht gesprochen. Hierzu gehört auch die Gattung
Peronospora , der Falsche Mehltau: Hierher gehören eine Reihe von Arten, die erhebliche Schäden
in der Landwirtschaft verursachen. Eine von ihnen ruft eine Knollenfäule der Kartoffel hervor, eine andere den "Blauschimmel" auf Tabakblättern, und eine dritte ist als "Falscher
Mehltau" als Parasit im Weinbau bekannt. Peronospora-Arten
sind meist - nicht immer - obligate Parasiten; fast alle sind
(soweit untersucht) Thiamin-heterotroph (sie benötigen zum
Wachstum eine externe Quelle für das Vitamin Thiamin).
Primitive Pflanzen (vornehmlich Algen) und Blaualgen sowie primitive Pilze sind nach allem, was wir heute wissen, in aquatischen Lebensräumen entstanden. Abgestorbene Algen (und Prokaryoten) sowie von jenen abgesonderte energiereiche Verbindungen (Aminosäuren, Proteine, Kohlenhydrate) bilden (früher und auch jetzt) die Grundlage für pilzliches Wachstum. Lebende, physiologisch aktive Algen sind vielfach von voluminösen Gallerten umgeben, in denen Nährstoffe angereichert sind und die deshalb auch bevorzugte Aufenthaltsorte heterotroph lebender Zellen sind.
Die räumliche Nähe zweier Organismen fördert die Entstehung von Mechanismen gegenseitiger Beeinflussung. Zerstörung der Algen, und damit Zugang zum Zellinhalt, wäre als Parasitismus einzustufen, die Produktion von Antibiotika oder anderer wachstumshemmender Substanzen durch die Algen als Abwehrmechanismus.
Ein Nebeneinander von Algen und Pilzen im aquatischen Milieu ist offensichtlich nur für die Pilze von Vorteil. Die Situation ändert sich jedoch bei Besiedlung terrestrischer Lebensräume. Pilze sind in den oberen Bodenschichten (A- und B-Horizonte) verbreitet. Die Besiedlung von Böden mag ursprünglich so ausgesehen haben, daß sich durch das Absterben von Organismen in Gewässern am Boden ein Sediment ansammelte, in dem sich Pilze und Bakterien ansiedelten. Durch Trockenfallen des Gewässers oder Verlandung gelangten diese nährstoffreichen Schichten an die Erdoberfläche und wurden somit zum Lebensraum der ersten "terrestrischen" Pilze. Algen hatten dort zunächst nur eine begrenzte Überlebenschance, da sie auf Wasser und Licht gleichermaßen angewiesen sind. Licht erreicht sie nur in der obersten, nur wenige Millimeter dicken Schicht, doch gerade dort ist die Gefahr der Austrocknung am größten. Um sich an Land zu behaupten, wurden zwei getrennte Evolutionsstrategien verfolgt:
Evolution von Schutzmechanismen gegen Austrocknung, Vielzelligkeit, Bildung von Festigungselementen, Wachstum in den Luftraum hinein usw. (mit einem Satz: Es kam zur Evolution von Gefäßpflanzen).
Assoziation zwischen einzelligen Algen und Pilzen. Diese Strategie (eine Symbiose) führte zur Entstehung und Evolution der Flechten (Lichenes).
Gefäßpflanzen bestehen in der Regel aus einem oberirdischen Sproß und einer unterirdischen Wurzel. Diese wiederum steht im Erdreich - zum Teil wenigstens - in Nährstoffkonkurrenz mit Pilzmycelien (dem aus Hyphen bestehenden Geflecht). Dennoch gibt es für beide je eine ökologische Nische, denn Pflanzenwurzeln absorbieren primär Wasser und darin gelöste mineralische Salze, Pilzmycelien vornehmlich Wasser mit darin gelösten organischen Verbindungen sowie Mineralien. Ein Zusammenschluß und damit eine Kooperation zwischen Pflanzenwurzeln und Pilzmycelien (Mykorrhiza) kann daher zur optimalen Nutzung von Nährstoffressourcen führen. Mykorrhiza gilt in der Biologie als klassisches Lehrbuchbeispiel einer Symbiose, also eines Zusammenlebens zum gegenseitigen Vorteil der beiden Symbiosepartner. Oberirdische Sprosse können nur in Ausnahmefällen direkt von der Anwesenheit von Pilzen profitieren. In der Regel ist eine Pilz/Pflanze-Beziehung hier daher ein Parasitismus.
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