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Pollen-Stigma-Interaktionen


Die Sexualität der Pflanzen wurde 1694 von dem Tübinger Medizinprofessor und Direktor des Botanischen Gartens R. J. CAMERARIUS entdeckt. Er erkannte die Bedeutung des auf die Narbe des Stempels (Pistills) gelangten Pollens, konnte aber nicht klären, welche Vorgänge dadurch ausgelöst werden. Er schreibt:

"... es wäre doch sehr zu wünschen zur Lösung dieser schwierigen Frage, daß wir von denen, die durch ihre optischen Instrumente mehr als Luchsaugen haben, erführen, was die Körnchen der Staubbeutel enthalten, wieweit sie in den weiblichen Apparat eindringen."

Ende des 18 Jahrhunderts wurde die Fragestellung wieder aufgegriffen. Freiherr W. F. von GLEICHEN, genannt Rußworm, untersuchte mittels selbst gebauter Lupen und Mikroskope die Pistille einer Anzahl von Arten. Wegen ihrer Größe konzentrierte er sich auf die Tulpenblüte. Doch außer vielen blumigen Worten ist seinem 1790 veröffentlichten Werk wenig Beständiges zu entnehmen. Wesentlich präziser sind die Beobachtungen von J. HEDWIG (1793), und später auch die von G. D. AMICI. Durch sie wissen wir, daß der Pollen einen Schlauch ausbildet, der das Griffelgewebe (Transfusionsgewebe) durchwächst. Der Befruchtungsvorgang selbst wurde von W. HOFMEISTER analysiert, die Auflösung der Pollenschlauchspitze von E. STRASBURGER beobachtet.

Um die Wechselwirkungen zwischen Pollen und der Narbenoberfläche zu verstehen, müssen wir uns zunächst mit den Oberflächeneigenschaften beider Gebilde auseinandersetzen.


Pollen

Die Pollenkörner der verschiedenen Pflanzenarten unterscheiden sich strukturell vornehmlich durch die Beschaffenheit ihrer Wände (Sporoderm). Einzelheiten des Aufbaus lassen sich nur unter dem Mikroskop oder dem Elektronenmikroskop erkennen, Bilder der Oberfläche können mit Hilfe des Rasterelektronenmikroskops gewonnen werden. Es gibt mehrere Gründe, weshalb man sich mit der Pollenstruktur näher befassen sollte:

erstens entscheiden Oberflächeneigenschaften darüber, ob der "richtige" (=arteigene) Pollen auf einer "richtigen" Narbe auskeimt.

zweitens muß der durch Wind verbreitete Pollen so beschaffen sein, daß er weite Entfernungen überbrücken kann. Die Pollenkörner sind relativ klein, ihre Oberfläche ist glatt. Selten, z.B. bei Pinus, Picea u.a. sind sie mit seitlich angeordneten Luftsäcken ausgestattet.

drittens muß Pollen, der durch Insekten (oder andere Bestäuber) verbreitet wird, transportfähig sein. Mit anderen Worten: Die Pollenkörner müssen sowohl aneinander als auch am Körper der Insekten haften.

viertens hat sich gezeigt, daß die äußeren Schichten (Exine) aus widerstandsfähigem Material (Sporopollenin) bestehen, und Pollen deshalb, besser als alle anderen Pflanzenteile, fossil erhalten sein kann. Typische Angiospermenpollen sind der einzige Hinweis darauf, daß diese Pflanzengruppe bereits in der Unteren Kreide (eventuell bereits im Jura?) existiert haben muß.

Pollenanalysen eignen sich auch zur Aufklärung der Florengeschichte der jüngeren Vergangenheit. Dadurch lassen sich beispielsweise Sukzessionen (Aufeinanderfolgen) bestimmter (typischer) Vertreter im Verlauf einer Moorbildung erfassen und datieren. Die Gestalt des Angiospermenpollens ist variabler als die des Gymnospermenpollens. Das Sporoderm (die Wand des Pollenkorns) besteht in der Regel aus zwei übereinanderliegenden Schichtkomplexen: der wenig widerstandsfähigen inneren Intine und der sporopolleninhaltigen äußeren Exine.

Diese wiederum unterteilt man in Nexine und Sexine. Die Sexine ist vielfach untergliedert, sie ist aus stäbchen-, keulen-, kegel-, warzen- oder netzförmigen Gebilden (Columellae, Baccula) zusammengesetzt, die in ihrer Spitzenregion ganz oder zum Teil untereinander verbunden sein können und somit ein Tectum ausbilden. Zwischen den Columellae wird vielfach öliger oder proteinreicher Pollenkitt gelagert. Die Pollen mit einem Tectum nennt man tectat, jene, denen es fehlt, heißen intectat. Die Columellae entspringen der obersten Schicht der Nexine, die man als foot-layer bezeichnet.

In der Regel ist die Exine an bestimmten Stellen durch Öffnungen oder Aperturen durchbrochen, durch die der bei der Pollenkeimung entstehende Pollenschlauch auswächst. Die Lage und Zahl dieser Aperturen sind wesentliche Bestimmungsmerkmale der Pollen. Bei nur einer Apertur ist der Pollen mono- oder uniaperturat, bei zwei Aperturen spricht man von diaperturatem Pollen, bei drei Öffnungen von triaperturatem usw. Pollenkörner mit rückgebildeten Aperturen nennt man atreme Pollen. Pollenkörner ohne Aperturen, oder lediglich angedeuteten Keimstellen (Leptomata), sind inaperturat.

Wie durch zahlreiche Untersuchungen belegt, ist die Pollenoberfläche reichlich skulptiert. Das Muster kann als ein Bestimmungsmerkmal herangezogen werden. Die Antheren sind der Entstehungsort der Pollenkörner.

Die Pollenmutterzellen durchlaufen die Meiose, und aus jeder der dabei entstehenden haploiden Zellen (Gonen) kann sich ein Pollenkorn entwickeln. Es ist dem Gametophyten der Algen und Pteridophyten homolog. Pollenkörner sind zwei- bis dreikernig, seltener mehrkernig, d.h., der Kern der Gonen durchläuft während der Pollenreifung eine Mitose. Die dabei entstehenden Tochterkerne differenzieren sich zum generativen und vegetativen Kern. Dreikerniger Pollen entsteht durch eine weitere Teilung des generativen Kerns.

Während der Reifung lösen sich die Pollenkörner voneinander und vom umgebenden (diploiden) Gewebe der Anthere. Sie verbleiben zunächst jedoch noch in einem Behältnis, dessen Wandung von einer Schicht hochspezialisierter Zellen ausgekleidet ist: dem Tapetum. In vielen Fällen besteht es aus sekretorischen Zellen, die sich im Verlauf der Pollenreifung sukzessive auflösen. Die durch Abscheidung und Auflösung freiwerdenden Substanzen (Carotinoide, Lipide. Lipoproteine u.a.) werden in die Kavernen der Exine eingelagert und der Oberfläche aufgelagert. F. KNOLL nannte dieses klebrige Material 1930 Pollenkitt. Es dient dem Zusammenhalt der Pollenkörner beim Transport durch Insekten und zur Anheftung an den Insektenkörper, diesem Zweck dienen auch die bei einigen Pollentypen vorkommenden Viscinfäden (M. HESSE, 1980). Hinzu kommt, daß zumindest Teile des Pollenkitts an der Interaktion zwischen Pollen und der Narbenoberfläche mitwirken.

Neben dem Pollenkitt sind an der Oberfläche Moleküle (Proteine u.a.) exponiert, die durch die Pollen selbst produziert werden. Das Pollengenom ist haploid, das Genom der Tapetumzellen diploid. Das Oberflächenmuster der Pollen setzt sich daher zum einen aus Produkten des haploiden Gametophyten, zum anderen aus denen des diploiden Sporophyten (Anthere = Mikrosporophyll) zusammen.


Narbe

Die Narbenoberfläche ist in der Regel mit zahlreichen Papillen versehen. Das Gewebe ist stets diploid, und vielfach ist es von mehr oder weniger ausgeprägten Schleimschichten bedeckt. Man spricht dann von feuchten Narben. Dem stehen die trockenen Narben gegenüber, bei denen die Zellen von einer zusammenhängenden Kutinschicht umgeben sind. Eine Kutinschicht ist auch bei den feuchten Narben vorhanden doch ist sie dort oft durchbrochen oder partiell aufgelöst. Sowohl an der Pollen- als auch an der Narbenoberfläche sind eine Reihe von Enzymen lokalisiert worden (MASCARENHAS, 1989).


© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de